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16 Bundestagsabgeordnete der Union und SPD (darunter Karl Lauterbach) fordern in einem Brief an die Länder, käuflichen Sex komplett zu verbieten.

Veröffentlicht am 21.05.2020, 15:30 Uhr

21.05.2020

***16 Bundestagsabgeordnete der Union und SPD (darunter Karl Lauterbach) fordern in einem Brief an die Länder, käuflichen Sex komplett zu verbieten.
- Was dagegen spricht, könnt ihr in diesem Infopaket nachlesen…***
Hier ein sehr interessantes Interview mit Salomé Balthus vom 20.05.20:
Zum aktuellen Anlass empfehle ich auch dieses Interview von
Deutschlandfunk Nova
mit Johanna Weber (Vorstandsmitglied des Berufsverbands für erotische und sexuelle Dienstleistungen e.v.):
„Prostitution in der Coronakrise - Hygieneregeln statt Sexarbeits-Verbot“:
Ebenso dieses Interview mit Johanna Weber von
watson
:
„Sexarbeiter wehren sich gegen Corona-Verbot: "Lauterbach müsste doch andere Themen haben““:
**"Zusammenschluss aus dem Bundestag will Corona-Maßnahmen für Sexkaufverbot missbrauchen: Stellungnahme des Berufsverbands“**
**"Sexarbeitende und ihre Verbündete appellieren an die Antilopen Gang – Bitte unterschreiben"**
Ich habe
Karl Lauterbach
aufgrund seiner grundsätzlich rationalen und an wissenschaftlichen Fakten orientierten Haltung zu vielen Themen wirklich geschätzt. Leider ist aber auch er auf die emotionale Manipulation bezogen auf das natürlich stark emotionalisierende und von Stereotypen geprägte Thema Sexarbeit hereingefallen. Das hat mich persönlich sehr enttäuscht.
Wie bei vielen Themen, in denen eine hohe Komplexitätsstufe des Sachverhalts auf eine nicht minder hohe Emotionalitätsstufe trifft, ist eine wirklich faktenbasierte Auseinandersetzung sehr schwer zu vermitteln. Unwillkürliche Emotionsaktivierungen stehen der rationalen und wirklich differenzierten Analyse entgegen.
Wie irrational Menschen bezogen auf dieses Themenfeld reagieren, wird sehr schön in diesem Comic von
Erzaehlmirnix
illustriert:
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Bezogen auf das Thema Sexarbeit gibt es viele relevante Informationen, die das differenzierte Bild veranschaulichen. Leider wird die öffentliche Debatte gerne auf die emotionale Schiene gezogen: Traurige Geschichten von (typischerweise) Frauen, die Menschenhandel zum Opfer fielen, werden genutzt, um eine differenzierte Auseinandersetzung zu untergraben.
Daher ist es enorm wichtig, Menschenhandel von Sexarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung und Debatte abzugrenzen:
Auch ist es wichtig, zu vermitteln, wie das Berufsbild Sexarbeit (eben im klaren Unterschied zu Menschenhandel) aussieht:
**INFO-UPDATE 1**
Zum Thema Menschenhandel:
- "Hintergründe und Lebenssituation: Warum werden Menschen Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung?":
- "Zahl der Ver­fah­ren zu Menschen­handel und Aus­beu­tung an­ge­stiegen: BKA veröffentlicht Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2018":
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Um ein persönlicheres Bild von Sexarbeit zu bekommen, empfehle ich beispielsweise die Texte und Videos von
-
Josefa Nereus
:
und
-
Edith Arnold
:
Weitere interessante Videos zum Thema „Sexualbegleitung“:
- Der
Whoroscope.eu
-Podcast:
**INFO-UPDATE 2**
- "Wer sind eigentlich die Freier?" Mit Harriet Langanke
Zitat:
"Wer sind eigentlich die Männer, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen? Wer sind die Freier? Wann wird ein Mann zu einem Freier? Welche Motivation treibt Freier an? Welche Wünsche haben Freier? Über diese Fragen spreche ich mit der Sexualwissenschaftlerin Harriet Langanke. Seit 2010 forscht sie zu den Kunden von Sexarbeiter*innen. Um Kundinnen wird es erst in einer weiteren Folge gehen.
Harriet fördert Erstaunliches zutage: "Die Freier" sind die Männer um uns herum, ein Querschnitt der Gesellschaft durch alle sozialen Schichten hindurch. Während allerdings ihre Motivation ganz unterschiedlich ist, finden sie wieder zusammen in einem am meisten geäußerten Wunsch. Na, neugierig? Das wird verraten. Aber natürlich erst im Podcast.
Weitere Themen sind sowohl die so oft zitierten negativen Kommentare in Freierforen als auch die elementare Unterscheidung zwischen allen Formen von Gewalt und Prostitution. Und wenn es um Sexarbeit und Freier geht, kommen wir weder um das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 noch um die Idee des auch für Deutschland geforderten schwedischen Modells herum. Letzteres bedeutet die Kriminalisierung der Freier. Beides wird von Harriert Langanke äußerst kritisch betrachtet. Was aber unterstützt Sexworker tatsächlich?
Ich gebe zu, dass diese Folge sehr lang ist. Dafür beinhaltet sie sehr viele wesentliche Informationen, die ein differenzierteres Bild von Sexarbeiter*innen und ihren Kunden ermöglicht."
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Ich empfehle die Auseinandersetzung mit:
-
BesD - Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.
-
Sexarbeit ist Arbeit
-
AK Sexarbeit
-
Voice4Sexworkers
- Sonja Dolinsek:
-> Prostitutionspolitik
-
Sex Work Research
:
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**INFO-UPDATE 3**
Zum Problem der ideologischen Beeinflussung der Studienlage bezogen auf das äußerst heterogene Thema Prostitution (in dem leider bisher die vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen und Umstände - von sehr positiven bis sehr negativen und allen dazwischen - nicht ansatzweise hinreichend differenziert durch wissenschaftliche Forschung untersucht wurden):
- "Flawed Theory and Method in Studies of Prostitution":
Zitat in deutscher Übersetzung:
"In keinem Bereich der Sozialwissenschaften hat die Ideologie das Wissen stärker kontaminiert als in Schriften über die Sexindustrie. Zu oft werden in diesem Bereich die Regeln der wissenschaftlichen Forschung außer Kraft gesetzt und die Forschung absichtlich verzerrt, um einer bestimmten politischen Agenda zu dienen. Ein Großteil dieser Arbeiten wurde von Autor*innen erstellt, die die Sexindustrie als eine verabscheuungswürdige Institution betrachten und sich aktiv für ihre Abschaffung einsetzen. In diesem Kommentar untersuche ich einige theoretische und methodische Mängel dieser Literatur, sowohl allgemein als auch speziell in Bezug auf drei neuere Artikel in „Violence Against Women“. Die fraglichen Artikel stammen von Jody Raphael und Deborah Shapiro (2004), Melissa Farley (2004) und Janice Raymond (2004). Mindestens zwei der Autorinnen (Farley und Raymond) sind Aktivistinnen, die an der Antiprostitutionskampagne beteiligt sind.
IDEOLOGISCHE SCHEUKLAPPEN
Die drei Artikel sind nur die jüngsten Beispiele in einer langen Reihe von Schriften über die Sexindustrie von Autor*innen, die eine extreme Version der radikalfeministischen Theorie anwenden - extrem in dem Sinne, dass sie absolutistisch, doktrinär und unwissenschaftlich ist. Beispiele für diesen Ansatz sind die Arbeiten von Andrea Dworkin (1981, 1997), Catherine MacKinnon (1987, 1989), Kathleen Barry (1995) und Sheila Jeffreys (1997). Diese Autorinnen betrachten Prostitution als kategorisch böse, als Inbegriff männlicher Herrschaft und Ausbeutung von Frauen, unabhängig vom historischen Zeitraum, dem gesellschaftlichen Kontext oder der Art der Prostitution. Die Autorinnen der drei untersuchten Artikel teilen diese Ansichten."
Originalzitat:
"In no area of the social sciences has ideology contaminated knowledge more pervasively than in writings on the sex industry. Too often in this area, the canons of scientific inquiry are suspended and research deliberately skewed to serve a particular political agenda. Much of this work has been done by writers who regard the sex industry as a despicable institution and who are active in campaigns to abolish it. In this commentary, I examine several theoretical and methodological flaws in this literature, both generally and with regard to three recent articles in Violence Against Women. The articles in question are by Jody Raphael and Deborah Shapiro (2004), Melissa Farley (2004), and Janice Raymond (2004). At least two of the authors (Farley and Raymond) are activists involved in the antiprostitution campaign.
IDEOLOGICAL BLINDERS
The three articles are only the most recent examples in a long line of writings on the sex industry by authors who adopt an extreme version of radical feminist theory — extreme in the sense that it is absolutist, doctrinaire, and unscientific. Exemplifying this approach are the works of Andrea Dworkin (1981, 1997), Catherine MacKinnon (1987, 1989), Kathleen Barry (1995), and Sheila Jeffreys (1997). These writers view prostitution as categorically evil, the epitome of male domination and exploitation of women irrespective of historical time period, societal context, or type of prostitution. The authors of the three articles under review share these views."
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**Nordisches Modell für Prostitution - KEINE gute Idee…**
-
Arte
-Dokumentation:
"Wo Sexarbeiterinnen keine Rechte haben":
- „Prostitution und Menschenhandel (1): Die „Wahrheit“ über das „Nordische“ und „Schwedische“ Modell“:
- „Führt die Legalisierung der Prostitution zur Ausweitung von Menschenhandel? (2)“
- "Deutschland als eine Drehscheibe des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung - was sagen die Statistiken des BKA? Welche Auswirkungen hätte die Einführung des Sexkaufverbots (Nordisches Modell)?"
-
Missy Magazine
:
„Das schwedische Sexkaufverbot: Beanspruchte Erfolge und dokumentierte Effekte“:
-
Amnesty International
:
— „Norway: The human cost of ‘crushing’ the market: Criminalization of sex work in Norway“:
— „Q&A: policy to protect the human rights of sex workers “:
— „Amnesty International policy on state obligations to respect, protect and fulfil the human rights of sex workers“:
- „Stellungnahme deutscher Organisationen gegen das Sexkaufverbot“:
- Positionspapier des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Thema Prostitution und Sexkaufverbot:
- Erzaehlmirnix:
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Abschließend:
Ich beschäftige mich aus unterschiedlichen Gründen mit diesem Thema:
Es ist komplex, betrifft unterschiedliche spannende Bereiche des Menschseins wie Sexualität, soziale Normen, individuelle Lebensentwürfe und Gefühlswelten. Für mich ist dieses extrem komplexe Thema daher aus psychologischer Sicht auf sehr vielen Ebenen hochgradig interessant.
Wie bei allen Themen, mit denen ich mich beschäftige, versuche ich die subjektiven und objektiven Aspekte zu verstehen und eine möglichst rationale sowie differenzierte Analyse des Themas vorzunehmen. Dabei helfen mir sowohl Fakten (die bei diesem Thema definitiv zu kurz kommen) als auch meine vielen über die letzten Jahre geführten Gespräche mit Sexarbeiter*innen. In meinem - mein Leben außerordentlich bereichernden - großen und vielfältigen sozialen Umfeld pflege ich seit vielen Jahren freundschaftliche Kontakte mit Menschen, die der Sexarbeit nachgehen oder nachgingen. Die Gespräche mit ihnen haben meine Einstellung, das Thema müsse vernunftorientiert und differenziert betrachtet werden, untermauert.
Wie ich erst gestern Abend einer sexarbeitenden Freundin, die bedauert, aufgrund ihrer Mutterschaft nicht öffentlich für die Rechte ihrer Berufsausübung eintreten zu können, schrieb:
„Ich würde gern in einer Welt leben, in der Menschen sich nicht wegen ihrer Kinder Sorgen machen müssten, nur weil sie Sexarbeiter*innen sind“.

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